13.01.2021
Wolfgang Nöth – ein Vorkämpfer für die Nachtkultur

Wolfgang Nöth habe ich bereits 1993 am alten Flughafen in Riem kennengelernt.
Zehn Jahre später, das Ultraschall war gerade ein Vierteljahr zu, hat mich Wolfgang gefragt, ob wir auf dem Optimolgelände in der Friedenstraße einen Raum haben möchten.
Und klar wollten wir das, Räume waren schon damals knapp und ohne Glück oder Beziehungen nicht zu bekommen.
Vor allem bezahlbare Räume für das Nachtleben waren gesucht, aber in der dichten Stadt kaum zu finden, ohne Probleme mit der Nachtruhe zu bekommen.

Wolfgang hat uns dann ganz stolz eine kleine alte Baracke präsentiert, mit Wellpappe als Wänden, einem windigen Dach und einer Betonplatte als Boden.
Von dieser Halle wollte er uns ein Drittel geben, 110 Quadratmeter.
Wir haben uns in den sehr schönen Vorgarten gesetzt, der größer war, als unser Teil der Halle.
Im Garten war es wunderbar, und so haben wir uns gegen jede Vernunft entschieden dort einen Club zu bauen.
Sechs Meter neben der Baracke hatte Wolfgang schon sein Spiegelzelt aufgestellt, dort waren abends Kabarettveranstaltungen und die sollten wir auf keinen Fall stören.
Deshalb wurde schon das erste Harry Klein mit zwei Mauern als Schallschutz gebaut, es wurde die Raum-in-Raumkonstruktion des Clubs in der Sonnenstraße vorweggenommen.
Wolfgang war als Vermieter für die Außenwände zuständig und weil er plötzlich sparen musste, blieb das Harry Klein bis zum letzten Tag ohne Verputz.

Wolfgang konnte Räume finden und er konnte Menschen finden, die mit diesen Räumen etwas anstellen. Die vor allem in diesen Räumen etwas machen konnten, was sonst in der Stadt nicht möglich war.
Noch 1995 gab es in München eine allgemeine Sperrzeit um 1 Uhr.
Wegen des großen Erfolgs des alten Flughafens, an dem es keine Sperrstunde gab, wurde ab 1996 die Sperrzeit in einigen Stadtvierteln versuchsweise aufgehoben.
Und Wolfgang hat diese Diskussion über die Sperrzeit bis zum damaligen Oberbürgermeister Christian Ude getragen.

In seinen Räumen konnten wir und viele andere zeigen, welchen belebenden Einfluss günstige Zwischennutzungen auf das Stadtleben haben. Wie sich die Kreativen in solchen Räumen treffen und an neuen Ideen spinnen, wie daraus neue Projekte entstehen und dann auch andere in der Stadt motiviert werden loszulegen, etwas verrücktes umzusetzen.
Ohne die Zahlen genau geprüft zu haben, vor 1996 gab es vielleicht 10 Clubs in der Stadt. Mit dem Kunstpark kamen auf einen Schlag 20 dazu. Und Ateliers, Proberäume, Studios, Werkstätten noch dazu.

Es bewegt mich im Rückblick zu sehen, wie sehr Einzelne, wenn sie nur stur und gspinnert genug sind, etwas in einer Stadt bewegen können.
Ich bedanke mich bei Wolfgang Nöth, dass er für uns alle visionär und mutig war und soviel möglich gemacht hat.

Am 10. Januar ist Wolfgang Nöth im Alter von 77 Jahren nach kurzer Krankheit gestorben.
Wir sind mit unseren Gedanken und Wünschen bei seiner Familie, seinen Angehörigen und seinen Freud*innen.

Und wir sind uns einig, wir werden in seinem Sinn weiter machen, damit München immer noch ein Stück wilder, bunter und verrückter wird.

David Süß für das Harry Klein